Im Artikel 2 des Staatsgrundgesetztes der Republik Österreich da steht’s: “Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich”. Alle gleich! Sind wir tatsächlich und wirklich alle gleich vor dem Gesetze?

Erlauben Sie mir, wie ich meine, private Überlegung dazu anzustellen:

Wenn ein Arzt (ich nehme das Beispiel, weil ich selber Arzt bin) die Behandlung eines Patienten übernimmt, so ist er für die Korrektheit seiner diagnostischen und therapeutischen Handlungen persönlich verantwortlich. Es spielt keine Rolle wie kompliziert die Erkrankung, wie komplex der „Fall“ auch sein mag. Sollten Fehler unterlaufen, dann wird über Schuld oder Unschuld des Therapeuten entschieden werden. Die rechtlichen Folgen einer Fehldiagnose oder Fehlbehandlung werden vor Gericht verhandelt werden.

 

Das gilt für alle Berufe, gilt für alle Staatsbürger; siehe jenen erwähnten Artikel 2 des Staatsgrundgesetzes.

Wie verhält es sich dann mit der Juristerei? Sind auch Juristen im Dienst der Republik gleichgestellt, oder werden Juristen Freiräume zugestanden, die für den Rest der Staatsbürger so nicht existieren?

Fall 1: Ein Staatsanwalt „verlegt“,“ vergisst“ einen Akt, eine Anzeige gegen den seinerzeitigen Innenminister Ernst Strasser solange, bis der vermutete Tatbestand verjährt ist. Erst danach taucht der Akt wieder auf.

Fraglos eine Schlamperei, die rechtliche Konsequenzen haben würde, wenn sie von einem Arzt verursacht worden wäre. Ein Fehlverhalten, das ein gerichtliches Nachspiel hätte, wenn die Befundverwaltung z.B. eines Arztes betroffen gewesen wäre und ein Patient dadurch Schaden genommen hätte.

Der „schlampig vergessliche“ Staatsanwalt braucht sich über rechtliche Konsequenzen, soweit mir bekannt ist, keine Sorgen zu machen…..

Fall 2: Die Frau Justizminister erklärt entspannt und achselzuckend im Fernsehen des ORF, dass Prozesse in der Größenordnung des BAWAG Desasters nicht ohne Fehler zu führen seien. Das sei normal, komme eben vor und sei überhaupt nicht besorgniserregend.

Das heißt: Die Verhandlungssache gegen den sprichwörtlichen Händeldieb geht konsequent, rasch und eindeutig über den Richtertisch. Bei Großprozessen sei jedoch kein Richter mehr in der Lage fehlerlos Recht zu sprechen. Persönliche Konsequenzen für die Richterin: KEINE! Außer vereinzelt und „hinter vorgehaltener Hand“ geäußerte böse Nachrede und Häme in Expertenkreisen.

Nach meinem Verständnis eine anschauliche Bankrotterklärung des Rechtssystems! Gelten im RECHTSstaat für RECHTsprecher vielleicht andere Gesetze? Oder sind Richter schlicht unfähig Prozesse dieser Größenordnung rechtskonform abzuwickeln?

Ein Arzt, der eine stundenlange, höchst komplizierte Operation verpfuscht, kann sehr wohl auf der Anklagebank landen, dann wenn ein Mensch Schaden nimmt. Ein Richter (m/w) jedoch muss keine Konsequenzen befürchten, auch dann, wenn sein Fehlurteil einen Unschuldigen vielleicht hinter Gitter bringt. Ein Richter(m/w) darf also, aus meiner Sicht, „Pfusch“ bauen, und kann zu seinem „Pfusch“ sogar selbstbewußt stehen! Ja, ein Richter(m/w) kann trotzdem, oder deswegen(?) mit höchsten Ministerehren belohnt werden.

Ich schätze unser österreichisches Rechtssysstem und ich glaube daran. Ich bin überzeugter und begeisterter Demokrat, ein österreichischer Patriot. Ich verlasse mich darauf, dass Recht, Recht bleibt und vor Gericht Recht gesprochen wird, ohne ansehen der Person! Trotzdem habe ich Angst! Angst vor Schieflagen und Ungleichheiten. Vor Bovi und Jovi. Ich möchte auch künftig ruhig schlafen können, weil das Volk die Regierung kontrolliert, wie es Suu Kyi, die burmesische Friedensnobelpreisträgerin auf den Punkt bringt.

Vor dem Gesetz sind alle gleich. BITTE, BITTE, liebe politisch Verantwortliche, Delegierte und Entsandte, nehmt die Verfassung ernst und setzt euch nicht über unser Rechtsempfinden und unser Staatsgrundgesetz leichtfertig hinweg!

   
© Praxis MR Dr. W.R. Wiesinger